3. Februar 2016

[Rezension] Die Geschichte der Einsamkeit von John Boyne




Die Geschichte der Einsamkeit von John Boyne

Genre: Roman

ISBN: 978-3-492971034

Verlag: Piper

Erscheinungsdatum: 15. Oktober 2015

Taschenbuch, Klappbroschur, 416 Seiten







Odran Yates kommt 1972 an das renommierte Dubliner »Clonliffe Seminary«, um Priester zu werden. Voller Hingabe widmet er sich seinen Studien. Er kann es kaum erwarten, endlich Gutes zu tun. Vierzig Jahre später ist sein Vertrauen in die katholische Kirche jedoch zutiefst erschüttert. Er muss dabei zusehen, wie Priester vor Gericht stehen, wie einstige Würdenträger ins Gefängnis kommen und wie das Leben zahlreicher Kollegen zerstört wird. Odran zieht sich zurück – aus Angst vor den missbilligenden Blicken seiner Umwelt. Erst als bei einem Familientreffen alte Wunden aufgerissen werden, sieht er sich gezwungen, sich den Ereignissen zu stellen und seine Komplizenschaft zu erkennen. (Quelle: Klappentext)

Inhaltlich ist dieses Buch keine leichte Kost, behandelt es doch ein Thema, welches viel zu lange tot geschwiegen und von der Kirche selbst vertuscht wurde: Missbrauchsfälle. Und doch schafft Boyne es in seinen Schilderungen nicht in eine Schwarzweißmalerei abzutriften. Er kommentiert und wertet in keinster Weise, sondern beschreibt lediglich.

Mit Odran wurde ein ganz besonderer Charakter geschaffen. Als Priester steht er in direktem Zusammenhang mit der einst so mächtigen Institution Kirche, aber dennoch ist seine Rolle in diesem besonderen Roman weder die eines Täters, noch eines Opfers. Es ist spannend, dass zum zentralen Punkt dieser Geschichte nicht eines dieser Monster, aber auch kein "Heiliger" gemacht, sondern einfach Pater Odran Yates.

Odran ist einer jener Priester, die sich nichts vorzuwerfen haben. Er glaubt wirklich an die Dinge, die er lehrt. Priester ist er nur aus Berufung geworden. Er ist ein ausgezeichneter Lehrer, der sich für seine Schüler einsetzt, und der so gar keine sexuellen Regungen zu haben scheint. Auch zieht er ein Leben in Bescheidenheit vor. Und doch muss er mit ansehen, wie die Geistlichkeit immer mehr an Ansehen verliert und sich in der Position wiederfindet sich rechtfertigen zu müssen. "Kinderschänder" gehört noch zu den harmlosen Dinge, die Odran auf der Straße zu hören bekommt. Er ist jemand, der es nicht verdient hat gemeinsam mit seinen Kollegen über einen Kamm geschoren zu werden... eigentlich. Denn wenn er ehrlich zu sich selbst ist, gab es da diese Momente, in denen er sich eben nichts dabei gedacht hat. War er zu naiv in seinem Glauben an das Gute oder wollte er es einfach nicht sehen? Und genau hier stellt sich die Frage der Schuld. Ist man nur als aktiver Täter Schuld? Oder beginnt Schuld schon beim Sehen und Wissen?

Noch nie habe ich ein Buch gelesen, in dem ein einziges Gefühl so eindringlich in Worte gepackt worden ist. Einsamkeit ist hier kein bloßer abstrakter Begriff mehr. Einsamkeit wird plötzlich zu etwas greifbarem. Ich war erschüttert und beeindruckt. Odran lernt die Einsamkeit kennen... Weder bei der Geistlichkeit, noch im weltlichen Leben scheint er durch die Veränderungen der Kirche einen Platz zu finden.

Ich hätte es nie für möglich gehalten eine derart ernsthafte Thematik in einer so schönen und emotionalen Sprache wiederzufinden. Ein Buch über den langsamen Verfall einer Institution, über die Missbrauchfälle, die so lange tot geschwiegen wurden. Über Einsamkeit und Schuld. Und über das Leben eines Einzelnen.

Für den neuesten Roman von John Boyne vergebe ich vier von fünf Schmetterlingen:


Beim Piper Verlag möchte ich mich zum Schluss noch ganz herzlich für das bereitgestellte Rezensionsexemplar von Die Geschichte der Einsamkeit bedanken.

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