Seit einer Ewigkeit (und die ist nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich unendlich lang) bin ich auf der Suche nach einer spannenden & magischen Reihe, die mich in ihren Bann zieht. In meinen Teenie- Lesejahren gab es zahlreiche Buchreihen, die mich fasziniert hatten und bei denen ich Nächte wach lag und das Erscheinen des Folgebandes kaum abwarten konnte. Dieses aufgeregte Kribbeln und die Freude, wenn der Tag sich näherte, waren ein wunderschönes Gefühl. Danach habe ich nun ewig gesucht und zufällig in den Chroniken der Verbliebenen gefunden. Hurra!

In dem Reihenauftakt Der Kuss der Lüge begleiten wir Prinzessin Lia auf ihrer Flucht aus dem Königreich Morrighan ihres Vaters. Die 17- Jährige ist die älteste Tochter und somit liegt es an ihr durch die Heirat mit dem Sohn des benachbarten Reiches des Frieden zu wahren. Doch die junge Frau entscheidet sich dafür das ihr bekannte Leben hinter sich zu lassen, statt von ihrem Vater wie ein Stück Vieh verschachtert zu werden. Ihre Zofe Pauline begleitet sie und hilft ihr sich in der Welt des einfachen Volkes zurechtzufinden. Gemeinsam heuern sie als einfache Schankmädchen in einer Taverne an und vergessen Woche für Woche gefüllt mit Arbeit langsam das Leben, aus dem sie eigentlich kommen. Eines Tages jedoch erregen zwei Reisende in der Taverne Lias Aufmerksamkeit. Sie scheinen nicht hierher zu gehören und so falsch ist ihr Bauchgefühl da nicht. Der eine ist eben jener Prinz, vor dem sie geflohen ist. Der andere ein Attentäter, welcher  ausgesandt wurde Prinzessin Lia von Morrighan zu finden und zu töten.

Es ist ein großes Epos, in welches Lia den Leser im ersten Teil der aus insgesamt vier Büchern bestehenden Reihe entführt. Große Gefühle, bedeutende Machtspiele, eine geheimnisvolle Vergangenheit, die in einem alten Tagebuch ans Tageslicht kommt, und eine Gabe, die alle erstgeborenen Töchter Morrighans in sich tragen. Und die Prophezeiung aus längst vergangenen Tagen. Wie bei einem Eisberg, bei dem das Meer dem Betrachter nur die oberste Spitze präsentiert, so verhält es sich auch bei dem Kuss der Lüge: Die Geschichte entfaltet sich schillernd & komplex vor dem inneren Auge, lässt aber erahnen, dass man nach der letzten Seite nur einen Bruchteil des phänomenalen großen Ganzen gesehen hat.

Lia ist ein Charakter, der mir beim Lesen sehr ans Herz gewachsen ist. Egal welchen Stand sie ursprünglich auch haben mag, ist sie sich doch für nichts zu schade. Vor allem wenn es darum geht für jene einzustehen, die sie aus ganzem Herzen liebt. Pauline wird zu ihrer besten Freundin. Und für ihre zahlreichen Brüder ist sie bereit alles zu geben. Obwohl sie allen Grund hätte diese um ihr Leben zu beneiden. Während sie als Tochter und Erbin der Krone irgendwann von ihren Geschwistern abgeschottet wurde, um auf ihr Leben vorbereitet zu werden. durften diese alle Freiheiten eines wilden Kinderdaseins genießen. Lia ist stark, intelligent & wissensbegierig. Nur manchmal sollte sie lernen ihre Zunge im Zaum zu halten.

Die High Fantasy Welt, die Autorin Pearson erschaffen hat, ist bei weitem nicht willkürlich, sondern stark durchdacht & detailliert angelegt. Es geht nicht nur um das imaginäre Land Morrighan, sondern alle angrenzenden Königreiche, die miteinander agieren. Dadurch entsteht ein politisches System, welches sehr authentisch ist. Es lebt durch eine gemeinsam gelebte geschichte & Vergangenheit, einer Gegenwart und dem Blick in eine ungewisse Zukunft. Gemeinsam mit einer bildlichen Sprache und real wirkenden Figuren entsteht so ein Reihenauftakt zu den Chroniken der Verbliebenen, der fasziniert und nicht mehr loslässt.

Alles, was ich noch sagen kann, ist dies: Endlich hat es ein Reihenauftakt wieder geschafft mich zu begeistern und mich in seine Welt eintauchen zu lassen. Ich hoffe, dass nach diesem vielversprechenden Buch die folgenden Bände genau so grandios sind.